22.01.2017

Wir haben dem Engelchen die Augen wieder geöffnet!


Vermutlich im Jahre 1720, als seine 8 Kinder und seine Frau schon gestorben waren, hat Johann Paul III. Paumgartner im sogenannten Türmchen sein Sorgenstübchen eingerichtet. Es ist nämlich ganz ungewöhnlich, dass so ein Tortürmchen, von allen anderen Räumlichkeiten abgetrennt, so schön stuckiert ist wie dieses. Ursprünglich war es auch nur durch eine Außentreppe/ Außenleiter zu erreichen und diente wohl dem Burgwächter als Wachstube. Dementsprechend war die ehemalige Ostwand des Türmchen eine Außenwand, was man an der ursprünglichen Verputzung gut ablesen konnte:
Fassungsfreilegung Johann Paul III. Paumgartner aber ließ im Hof an die Durchfahrt einen dritten Sandsteinbogen anbauen, der auch gar nicht mit dem restlichen Gemäuer verzahnt ist und deswegen immer abriss. Somit erzeugte er eine direkte Verbindung zum Palas.
3. Sandsteinbogen So hatte er einen Innenzugang zum Türmchen eingerichtet, der wohl ursprünglich nur ein besseres Stück Wehrgang mit Holzverkleidung war.

Und dann kam der Stuck (wohl von Donato Polli): im Türmchen selber ganz hochwertig und mit Gold versehen: Eurydike, wie sie an ihrem Hochzeitstag von der Schlange gebissen wurde. Da sieht man wohl die Verbindung mit dem Verlust seiner ersten Frau.
Eurydike Und über der Tür ein Engelsköpfchen. Wer weiß, ob das nicht ein besonders geliebtes Kind darstellen sollte?
Meine These wird auch davon gestützt, dass, wohl als Mahnung, über dem Eingang zum „Thürnchengang“ steht:
Interpone tuis interdum gaudia curis
(Stelle ab und an zwischen Deine Sorgen auch Freuden) Versinke nicht in Deiner Trauer, sondern sieh, dass das Leben trotzdem auch schöne Seiten hat!
Türstock Unsere wunderbaren Handwerker haben die fehlende untere Hälfte des Spruches so ergänzt, dass man nur, wenn man´s weiß, sieht, dass da mal was gefehlt hat.

Das Engelchen nun war im Laufe der Jahrhunderte so zugeschmiert worden, dass man nur noch mit viel Phantasie Haare und Flügelchen erkennen konnte. Auch war es eines Teils seiner Nase verlustig gegangen.
Engelchen beim Restauriertwerden Mit viel Geduld und Liebe haben unsere Putzer das Engelchen von seinen vielen Farbschichten befreit. Sie haben sogar mit ihm gesprochen: „Jetzt halt doch mal still, ich will doch nur Dein Öhrchen putzen. Das kitzelt zwar ein bißchen, aber hinterher....“
Engelchen halbfertig Es schaut mich mit seinen Äuglein so an, als wollte es sagen: „Sei nicht traurig; auch wenn Du mich auf Erden nicht mehr sehen kannst, so schau ich doch von oben runter und wache über Dir.“ Und „Es geht mir gut dort, wo ich bin.“
Engelchen wiederhergestellt Vielleicht konnte es auch Johann Paul III. Paumgartner ein wenig mit seinem schweren Los versöhnen, zumindest ließ er 1723 auf der Außenseite des Türmchens sein Wappen, begleitet vom Wappen seiner 1.Frau (Maria Magdalena Rieterin von Kalbensteinberg) und seiner zweiten Frau (Maria Sophia Nützel auf Sündersbühl) anbringen. Da hatte er wohl wieder Hoffnung geschöpft.
Wappen über Eingang


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